z Tanti

Am Ende der Geschichte ist nichts mehr richtig, aber alles wahr, schreibt die Schriftstellerin Judith Hermann in ihren Erinnerungen und Poetikvorlesungen. (Hab‘ ich aus der NZZ.)

Meine alte Tante, sie weiss noch viel. Einerseits präzise wirtschaftliche Informationen, immer noch ausgezeichnete Kultur- und Feuilleton-Artikel (die etwas regressiv). Aber Aunti ist schon etwas wirre, behauptend und obsessiv, zwar noch beweglich aber schon recht tattrig… Andererseits eben das rechtsabgegriffene überkommene Bashing-Vokabular einiger talentloser, klischeeverhafter liberal-pseudoelitistischer SchreiberlInnen.

All das wird immer wieder aufs Neue variierend nachjustiert. Headlines wie „Grüner Kommunismus“ prangen 24 Punkt fett. Der fatale Ständeratsrückzug bei der SVP-FDP Flüchtlingspolitik nennt sich „Fehlstart bei Baume-Schneider“. Und die Krankenkassenprämienverbilligung soll für Kinder aus reichem Haus sein, für die auch die Kulturangebote finanziert werden, meint der NZZ-Ultra-Kolumnist Gerhard Schwarz.

Ich lese die Zeitung seit der HSG-Zeit, schon über 50 Jahren. Sehe mich seit einigen Jahren als steigernd dauermanipuliertes Verärgerungsgsopfer. Eine seltsame Verpeiltheit im Umgang mit Wende-Situationen, mit Unwägbarkeiten…kommt mir oft vor wie die etwas verstaubten Boomer-Manager-Swiss Style. Guat, das ist deren Markenkern.

OK, kann man so machen…nur die „Umkleidung des Immergleichen“ (laut Adorno) nervt immer mehr. Das geht vielleicht marketingmässig knapp auf. Man kämpft als Verlag, man braucht auch mehr Abos in Deutschland – bei CSU, FDP- und AFD (ein Alice Weidel-Pressebild, NZZ lesend ging kürzlich um…).

Kommerz ist auch Dialog, lieber Herr Guyer. Eure formelhaften Phrasen für die absteigenden Economie-Suisse Granden, die absteigenden CH-Banker, die Aufsätzli des Altbundesrates Villiger, Eure Sätzchen aus dem Wörterbuch der liberalen Gemeinplätze aus den 30ern, die Umwelt- und Atomstrom-Kolumnen sind immer nur etwas einseitig gelähmt.

Eure unverdaute Welt der Goldküsten-SUV gegen die Bellevue-Velorowdies erlebt eine Überkonzentration von sehr viel bereits verdautem. Das lässt sich wahrscheinlich auch von Hauseigentümer- und Gewerbeverbändlern und Zünftern widerstandslos…schönlesen. Das geht vielleicht rein wie eine cremig-sanftes Sprüngli Praline. Über die tumben Gutwetter-Sozialisten lästern ist doch Position.Auch das Bedürfnis solche Lesenden zu bedienen, die, wenn sie schon überhaupt eine Zeitung lesen, dann auch das Gefühl haben wollen, an Wirtschafts-Hochkultur teilzunehmen. OK.

 

Weil man sich als Leserin sowohl über die begriffsstutzige, nichtgewinnorientierte Normalwelt erheben als auch sich über die linke Verschrobenheit und Weltfremdheit amüsieren könnte? Doppelcodierung ist zwar in heutzutage in, nur hat das nichts mehr mit Objektivität, mehr mit anbiedernder Abgeschmacktheit zu tun.

Das hat doch so eine hochbrisante Wertigkeit für so dick-tolle Bürger und Bildungsbürger. Die mit dem Querflötenunterricht in der Pubertät.

Ein gutes Relevanzangebot für die klassischen Luxus-Boomer Haltung

Ü 70 wie ich?

Guat, eure Bürger-bedeutungsschwangere Verschlingbarkeit basiert auf Reizwörtern wie liberal, bürgerlich

und endet mit längst totgerittenen neo-nzzigen Bedeutsamkeitsritualen – EIGENVERANTWORTUNG!

Das Dümmste darin ist, das hypen der „unsichtbaren Hand“. Wonach der Einzelne, indem er auf dem Markte seine egoistischen Ziele verfolgt, automatisch auch das Gemeinwohl steigert. Wie  der deutsche Finanzminister (Nichtökonom), rumposaunt, auch punkto Fossil-Beschränkungen und Klimaschutz..

Über soviel Ideologie-Scheisse würde auch der berühmte Joseph Schumpeter (Ökonom) frozeln „ da habe eine Zeitung die Grenze selbst des Fassungsvermögen der dümmsten Leser überschritten.“ (Siehe, den alten Spruch habe ich wenigstens auch aus der NZZ…) Aber darum geht es ja nicht, es geht um Gewinnerhaltung bei Kohleförderung, Atomkraftwerke und Rohstoff-Händler.

 

Dazu die negative Wendung in das Sentenziöse: das ist Sozialismus, das ist staatsverbreitend, auch wenn es nur um AHV-Beiträge geht. Tönt ab und zu wie Tschechows Gewehr:

Wenn am Anfang ein (bürgerliches) Gewehr an der Wand hängt, so die Regel, muss es am Ende auch abgefeuert werden.

Immer und immer wieder. Regulierungsflut und Steuerentlastung.

Kommt gut an bei Eurem besorgten Immobilien-und-Autobahn-Publikum… Anders als in im Auto-Hochpreis-Segment wo hohe Preise durch eine etwas tiefere Zahl kaufkräftiger Zahler erzielt werden können, bedeutet Erfolg im Verlagsbusiness hohe Abo-Zahl. Die muss man erst mal erreichen.

„Tangga, ich scanne nicht, ich will ihren Arbeitsplatz erhalten“, sagte ich gestern zu der Kassiererin, Prättigauerdialekt, an der COOP-Kasse. – „Sammeln Sie Extra-Superpunkte?“ war die etwas gutgemeinte Antwort. So ist das wahrscheinlich bei der NZZ; etwas verzweifelt sammeln sie, verstehe ich.

Heute kann man Identitäten verhandeln. (Wir-sind-doch-liberal-nicht-rechts.)

Das weiss der Guyer, weissdergeier, wahrscheinlich nur zu guat.

(Der musste in seiner Jugend ja auch ohne Diversität auskommen). Heute kann man auch viele Switch-Artikel platzieren. Heute mal fürs Velo, morgen für die AFD. Morgen mal für den deutschen FDP-Technologiefrei-Scheiss, heute doch wieder gegen die Velofahrer am Bellevue.

So wie bei Brechts Ballade „Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration, in der ein Zöllner dafür sorgt, dass die Lehre des Laotse der Nachwelt überliefert wird, Da sorgt unser alte Tante immer noch, dass die Märchen-Lehre des schottischen Moralphilosophen Adam Smith altliberalengerecht, aber grundfalsch klischeegerecht (und vor allem FDP-tauglich) vorgelesen werden.

Apropos gelähmt: Die glauben wohl bei dieser Zeitung, dass das wie bei der neuesten Forschung zu Querschnittsgelähmten sei.(Das ist ja auch einem medizinischen Schweizer Forschungsteam unter Henri Lorach gelungen.) Aber kann man das jetzt auf eine Zeitung extrapolieren?

Die Hauptfrage: Wird das Gehirn mittels solcher Implantate zur Kommandozentrale, deren Befehle der Körper unabhängig von seiner sinnlichen Empfindungsfähigkeit befolgt?

Bei der NZZ, glaube ich, schon. Immer mehr glauben diesem auf deep gemachten Bedeutungspol. Es geht um liberale Gefälligkeitsartikel und vor allem um Negativfolien gegen alles, das die Gierigen stoppen könnte.

Guat, das Beste daran ist, dass sie uns immer mehr lernen, dass unsere Tante mit den symbolischen Hoheitssymbolen etwas Übriggebliebenes hat.

Liberalensprech als Krankheitssymbol.

Die Luft ist halt schon dünner geworden. Punkto Umwelt, punkto Wirtschaft.

Man kann ja auch die Luft anhalten im Cabrio am Bellevue bis man dann endlich an der Goldküste wieder tief atmen kann.

 

Kann man aber nicht ewig…Dreipünktchen Verunsicherung. Vielleicht nur auf dem Weg zum Hospiz.

 

 

 

 

Standard

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert