Ich war kaum Dreissig. Hab’ mich zuerst kaum getraut, was zu fragen. Hab’ mal ein Bier getrunken mit ihm und sass neben ihm im Falken in Chur. Nach einer Lesung in der Kliibühni. Er war so ein Einfühlerich – munterte mich auf. Kurt Marti. Eben Pfarrer, aber einer der guten Sorte.
Für mich. Dichter, politisch engagierter Mensch…eine Schatzkiste von Wörtern, die einen zum Lachen und Denken bringen. Wörtersammler nennen sie ihn. Er hat unter vielen auch das Buch „Wortwarenladen“ geschrieben. Er hat u.a. auch mich noch mehr zum Lesen verführt. Zum Wörtersammler gemacht.
Ich lese viel. Auch Schrott.
Manchmal versteh’ ich nicht mehr, was da jetzt an diesen Büchern gut sein soll.
Was hab’ ich denn so im letzten Monat gelesen?„…wenn sie beide ausgestiegen sind, könnte ich glaube ich ein Buch darüber schreiben“, sagt der Taxifahrer in Christian Krachts neuem Buch „Eurotrash“– Könnte ich auch.
Über all die Bücher, die ich in den letzten fünf Jahren gelesen. Ich lese so meine drei bis vier Bücher pro Woche, habe seit 10 Jahren ein jährliches BOB – mein Buch der Bücher. Da sind meine Notizen, Wertungen, besondere Formulierungen herausgestrichen. Das sind so meist so 140’000 Zeichen pro Jahr.
Ich hab’ den hochgejubelten „Eurotrash“ parallel zu anderen hochgejubelten Büchern auch gelesen. Naja, mehr dazu unten. Interessiert? Zur Zeit lese ich „Dunkelblum“ von Eva Menasse, „Every“ von Dave Eggers, und „Crossroads“ von Jonathan Franzen.
Ich versuche meine eigenen DNA nicht nur zu lesen auch schreiben zu können. Die ist vielleicht beschwert von Büchern, aber das kann ja nicht schaden. Die intellektuellen Wörter schmecken mir auf der Zunge. So als Wort-Facharbeiter hat man halt auch seine Feinschmecker-Assets. Ausser wenn’s zum Generationen-Problem wird: dann wird immer klar, wir Alten wollen euch doch nur die Meinung geigen.
Auch in der Literatur ist es so wie in der Kultur: man muss nicht die Tutanchamun Ausstellung in der Maag Halle gesehen haben… meint,
Du musst nicht die Frauenkränzli-Bestseller-Liste-Anmutung begriffen haben, um weiterhin vom Lesen ergriffen zu sein.
Bei Männern meiner Payroll und Alterszugehörigkeit heisst’s auch oft: „ja ich lese viel. Am liebsten so Biografien. Hast du Bismarck, oder sogar Harari gelesen? OUNAI..bald lest ihr auch noch Laschet oder Schröder.
Ich gebe gerne zu, dass kein Tag vergeht ohne schreiben. Womöglich machen wir unsere Welt ja durch die Sprache, die wir haben um sie zu schreiben. Ich sowieso, schreib fast jeden Tag.
Ich bin so ein Schreibgebäugter.
Stimmt so nicht. (Ich lieg’ ja schon fast vor den Tasten, wenn ich mich nachhintengebäugt bequem ins Schreibland versetzte…hab’s dann aber schon blendend easi.)
Das Wenige wollen, das wenige wollen.
«Mega“ „Absolut Wau“ „einzigartig» „ein pageturner“ «Ein Meisterwerk.» «Das kühnste Debüt des Jahres.» so tönts in letzter Zeit immer mehr. „Hudler des Lobs“ nannte Kurt Tucholsky solches in grauen Vorzeiten. Ein unheilvoller Marketing-Sog waltet da. So James-Bond-Like.
Dass Romane, besonders aus dem anglofonen Raum, gerne mit Presseschnipseln im Superlativ beworben werden, ist an sich nichts Neues. Ebenso wenig, wie austauschbar die Formeln dabei sind.
Die Welle der Begeisterung, mit der gerade mehrere internationale Romandebüts auf den deutschsprachigen Buchmarkt kommen, ist allerdings auch für Literaturbetriebsverhältnisse bemerkenswert. Auch die Themen und Figurenkonstellationen dieser Bücher. Aber selbst diese überschwänglichen Rezensionen, dieser Marketing-Hype treiben die Verkaufszahlen nur noch selten in die Höhe.
Naja, komme mir so vor wie in diesen abgelutschten Vernissagen. Mit diesen so schönen Seelen, wie sie oft auftauchen, wenn sie ihr sinnloses Abtrampeln von lokalen Audabei-Künstlern zelebrieren. Da gibt dann mein Betriebssystem den Geist auf…die Generalkunstanbrennung mit Verklärungsschimmer wie sie Theodor Fontane wahrscheinlich genannt hätte, beglückt mich nicht unbedingt mehr.
Irgendwann hat man’s gesehen oder gehört, oder eben gelesen. Die Harmlosigkeits-Allüren führen dann zu Riesenzerknirschungen, wie eben der Theodor Fontane wohl subtil mitfühlen würde.
Rumpelt da mein Neidappeal mit? Kürzlich waren wir eingeladen. Bei einem Herrn, der antiquarisch Bücher sammelt – auf olympischem Niveau. Also mal ein Büchersammler statt ein Wörtersammler. Auch faszinierend.
Ja, ich weiss, Literatur ist, wenn man trotzdem schreibt..
Keine schönen Deckel und Drucke wie der, hab’ ich nicht. Dermassen viel Bildungsbürger-Show braucht man in unseren Zeiten nicht mehr. Also: ich hab gar keine schönen Bücher zu Hause. Alle verschenkt. Ich habe Bibliotheken nie gemocht, die Bücher schon… Fazit: wer alte Bücher sammelt, sammelt alte Haltungen. (Kann ja auch OK sein.)
Wenn du dich zum Beispiel in der deutschen Bundestagswahl (ist bei uns auch nicht besser, höchstens härziger) bei Politikerreden durch die Zwiebelschichten beissender Verlogenheit, falscher Narrative und Schein-Positionierungen durchgehört hast, bist du gleich weit.
Kann man auch Pathopornografie nennen. Wenn in diesen PR-Geilomaten alles zu einer guten Geschichte gewringt werden muss…
Unsere publicitygeile Gesellschaft, die sieben Tage in der Woche rund um die Uhr in einer Echtzeitsosse elektronischer Information mariniert wird, braucht das vielleicht.
„Reverse snobbery“ nennt man das – anstatt wie der Pöbel sich durch die Spiegel-Bestseller-Liste Distinktion zu erkaufen…kann man auch einfach lesen, was so kommt, kreuz und quer lesen…triviales bis erhabenes…“stöbern“, nannte das unser antiquarisch sortierte Schöngeist, der die Welt nur vor 1950 kennt.
Und: „In der Schule nicht beliebt gewesen zu sein oder Verdingkind gewesen zu sein berechtigt nicht die Veröffentlichung eines Romans.“ ist von Lebowitz. Könnte aber auch auf viele unserer neusten lokalen Bestseller Schriftsteller zutreffen..;-)
So was lernt man nur, wenn man allen Sprachmüll sortiert. oder wie Manfred Papst daraus Neues schafft: „…eben noch waren wir spatzenjung und gliederherrlich, jetzt sind wir höchstens noch altspitz und wackelsteif, zeitverbeult oder faltenäugig.“ Auch ein Wörtersammler.
Oder was hat Proust…gesagt?
„In Wirklichkeit ist jeder Leser, wenn er liest, ein Leser nur seiner selbst.“ Finde ich wortendgeil.
(In Wirklichkeit bin ich auch nicht so verkopft wie dieser Blog hier…)