Inflationääääär

Es ist das Mantra unsere Tage. IN -Einatmen, FLA -Ausatmen, TI- Einatmen, ON-Ausatmen. Inflation…Inflation. In-flaaaa-tion. Um dieses Wort auszusprechen, muss ich tief einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. Das ist wie Ballon aufblasen.

Je grösser der Ballon wird, desto kleiner werde ich.

Auf eine gewisse Art ist die Inflation ein Grundprinzip des Lebens.

So auch bei der Kunst. Und da noch viel mehr. Kunst ist bei uns inflatiiiionär. Die Kunst-Preise, Buchpreise, Vermarktungsplattformen schiessen aus dem Boden. Schliesslich muss ja alles zum Kunden.

Diese Ich-bin-auch-ein-Künstler-Kakofonie wird grösser.

Guat, bildende Kunst, schwierige Texte, Literatur überhaupt, sind eine Art Überlebenstraining und eine elementare Lebenschule im Nichtverstehen. – Soviel hab’ ich mal in meinem doch schon langen Leben gelernt, auch mühsam dazu gelernt, bei vielen Berliner Theatertreff-Wochen, Zürcher Theaterspektakel Abenden, Churer Avantgarde Theater mit fünf Zuschauern….

Wer behauptet, etwas durchaus verstanden zu haben, hat noch gar nichts verstanden. Denn alle Erkenntnisse ist vorläufig. Ich steh auf meines Deutschlehrers Peterlis Schultern, dieser wieder auf Goethes Schultern, und der wieder Shakespeares Schultern und dieser wiederum wohl auf jenen Petrarcas…. mit diesem Wissen aus zweiter Hand habe ich das Nichtverstehen geübt.

Und (vielleicht) auch verstanden: Soziale Distinktion ist es, die Kunst schafft… Wenn uns also die Churer Kulturkomission glaubhaft macht, das etwas Kunst ist, so glauben wir das. Doch ist etwas, das auch noch die Churer Kulturkommision knapp fast versteht, das leicht zugänglich ist für alle, bereits Kunst? Da gibt’s Fr. 10’000 als Literaturpreis der Stadt Chur für eine Schreibe, die man nach 10 Minuten weglegt…naja. Vielleicht bin ich ja nur neidisch?

Guat, nur 5 Prozent der Autorinnen und Autoren können von ihren Büchern leben. Sie leben oft in prekären Verhältnissen. Worst case: Man spricht von einem durchschnittlichen Monatseinkommen von Fr. 900.-. Ich rede aber von (den sich häufenden) Autor*innen, die nach Schema-F-Romane und Krimis verlässliche Einkommen generieren…Man kann so die alltäglichste Erfahrung, dass wir etwas nicht verstehen, etwas umgehen. In der Kunst üben wir den Umgang mit dem, was sich der unvermittelten Deutung entzieht.

„Man muss lernen, dass man ein Dummkopf ist.“ (Montaigne).

Das bewahrt einem vor mancher Dummheit, einschliesslich jener, nicht begreifen zu wollen, dass das Verstehen dort beginnt, wo wir etwas nicht verstehen.

Das Verstehen ist nicht ein Zustand, der das Nicht-Verstehen ablöst. Es ist ein unabschliessbarer Prozess, stets öffnen sich neue Deutungshorizonte, wenn man etwas nur lange genug von verschiedenen Seiten her anschaut..

“Ich möchte, dass die Dinge weniger vage sind.“, hat Joan Baez mal gesagt.

Jedesmal wenn ich die SO lese, könnt ich kotzen. Je künstlerischmittelmässiger man ist, desto mehr punktet man…je verpeilter unwissend die Journalisten werden…desto guater. Das genügt wohl Kantinengeplauder in der Cafeteria – und die Spiegel-Bestseller-Liste genügt um Trouvaillen zu orten.

Kannst du auch so sehen wie Milos Formans Larry Flint: „Opinions are like assholes, everybody’s got one.“

 

Kultur wird wie im im Karussellständer für preiswerte Fleecejacken angeboten Und viele machen sich halt daran, sich neu zu erfinden…“ich mach’ am liebsten etwas mit Kunst..“ und dazu braucht man jemanden, der beweist, dass es ihnen gelungen ist. Feen existieren nur, wenn Kinder in die Hände klatschen, habe ich mal bei Salman Rushdie gelernt. Wenn eine ganze Gesellschaft kreischt, muss man brüllen um gehört zu werden.

Ein ausgelebtes Kunst-Charisma wie das einer Öl-Zentralheizung genügt doch. Das Mittelmass ist dabei der verbindliche Standard.

So fühlt es sich bei mir an. Ab und zu ein Nicken, sogar ein verhaltener Stolz auf eine out-of-time Inszenierung des Churer Stadttheaters – Kontroverse Klassiker Interpretationen wie aus dem Fundus des Theatertreffs Berlin in den 90er Jahren. All das verursacht eher Kopfschüttteln, alles so im aktuellen Polit-Stil: „“Wir brauchen keine Heizung, wir kriegen auch so alles geregelt.“

Da mein Blog wie eine Zimmerpflanze behandelt wird, steht irgendwo herum, wird aber nicht weiter beachtet, kann ich ja alles sagen. Auch über die nicht vorhandenen Kulturmassstäbe und die unzulängliche Kultur-Begrifflichkeit.

Ich mag ja den Churer Autor Gurt (Bestseller-Champ), auch wenn er so schreibt wie ein ins Heidi verliebter, zurückgebliebener 50er Jahre-Kantonspolizist mit etwas eingeschliffenen Ausdrucksmitteln.Trivial halt. Aber schon wieder Beststeller. Wer sowas liest, sagt viel über sich selbst. Und wer das manierierte Bündnersein mit dem Capuns-Maluns-Humor von Arno Camenisch (auch den mag ich wegen seiner spoken word-performances) noch nicht durchschaut hat, geht bei mir unter Züzi. Und überall hett’s Schtaiböck druff.

Es müssen ja nicht immer diese intellektuellen Oberkellner sein.

Aber Bücher; vollkommen ohne jede Ausstrahlung so blutlos neutral wie ein Skiständer werden als unterhaltsam hochgepowert. Was den meisten gar nicht auffällt.

Was Daniel Kehlmann sagt, gilt schon: „ Die Menschen wollten Ruhe. Sie wollten essen und schlafen, und sie wollten dass man nett zu ihnen war. Denken wollten sie nicht.“

 

Darum vermarktet man lieber Nettigkeiten. Mit Schreibquatsch und leerem Getöse, und einer positivschöngeistigen Schwäche um den Mund – genügt oft.
Sie bedienen einen bestenfalls herkömmlichen Bildungsbürger- Voyeurismus und funktionieren als Projektionsfläche für das „das varstömmar wenigschtans“. – Soll doch jeder mitmachen können beim Kunstquiz.

Guat, chemisch sind die Kultis und die Nichtleser ja vollkommen identisch. Auch die Bildungsbürger…

Muss ja nicht sein wie bei Madame Bovary„Ganz wie ich“, fiel Léon ein.“ Gibt es den etwas Schöneres, als abends mit einem Buch am Kamin zu sitzen, während der Wind an den Läden rüttelt und die Lampe brennt.“

Wenn auch diesen Winter mit einem Pulli mehr…Bleiben wir doch noch ein wenig dort, wo es warm ist…möglichst ohne zweitklassige Lokalkrimis und pilcherpuderzuckergüssige Romane.

„Alles hat zwei Seiten, eine schlechte und eine noch schlechtere.“ (Ist von Georg Kreisler.)

 

 

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