die neue Romana

Es gibt dank Sloterdijk eine lebenswerte Illusion: Solange dir die Sprache nicht abhanden kommt, bleibst du am Leben.

Davon handelt irgendwie auch die neue RTR-Serie „l’ultim rumantsch“. Gut gemacht. Bunischem. Regie, Cast, Bild und Cut sehr guat und zeitgemäss. Skript: nicht einfach zu puzzlen, Deutschschweizer und Romanen-Publikum . Es muss den Spagat zwischen Neander-Rätier-Landfrauen-Küche-ZuschauerIn und einigermassen urbanen Media-Konsumierenden schaffen, Nichtfisch und Nichtvogel, Nicht-Romane, Nicht-Bündner und Züzis. (Übrigens: das ist keine Filmkritik…)

Die Jugend verliert ja zunehmend die Sprache, sie filmen sich lieber..sagt man. In diesem Falle gelungen.

Da gibts alles. Bündner Media-Bisiness, Enttäuschungserfahrung, Grenzsituationen, kleine Liebesgeschichte, Durchbruchsphantasien, so wie die Sprache das selbst erlebt…

Als Antagonist, Gegenpart, Metafigur spielen mit: die GR-Slow-Politik, Gewerbler, Stillsteh-Lobbys und Redaktionsstuben –  der Hafen der glänzenden Mittelmässigkeit,

Dieser Film ist für mich auch ein kleiner Übergangshelfer zu neuem Sprach-Mitgefühl. Hoffentlich. (Als Churerdeutschsprechender Bündner, eher so in der Wolke des Nichtdazugehörens, der mit Ach und Krach mal etwas „puter“ lernte, habe ich vieles dazu gelernt..) Zum Beispiel, dass es eine neue Generation von Romanen gibt, die sich in der Welt bewegen können. Auch in der Filmwelt.

(Vor 10 Jahren hatte ich noch mit guten Drehbuch-Autoren Skripts für SRG-Filme mitgeschrieben…mit dem losen Abgangsgefühl dass sich auch in Züri nicht so schnell was ändert…damals…}

Die Post-CVP-Hohlräume in der Surselva haben sich ja auch gemausert, und sind u.a. angedeutet.

Nebst den GR-Medien ist der vordergründige Plot eine Münstertaler-Tourismus-Immobilie – im Spannungsfeld Tourismus, Investitionen und Umweltverlust.

 

Guat, im Film sind alle Monde voll, sagt man sprichwörtlich. Auch in der Serie musste man zwecks Besser-„capito“ einige Stereotypien und Klischees unterbringen. – Aber sie sind Mehrfach-Botschaften: Zuzulassen, dass man sich selbst immer wieder mal abhanden kommt..umherzuirren, verschwinden wie die Sprache.

Die Kauderromanisch parfümierten Dialoge – konsequent multilingual wie im richtigen Leben – sind überraschend nicht so Schweizer-Film-holprig und meist gerade noch erträglich.

Der Münstertaler-Jauer-Heuduft ruft Ferienstimmung auf, was man auch schätzen darf. Sogar die RHb mit ihrem Zugfenster-Programm macht eine positive Falle.

Und als Bündner mit der Langsamkeit des Fortschritts vertraut, staunt man über den Cast. Die agile Jungschauspielerin (Annina Hunziker)…

…als ManaderIN (sagt man das so?) der „Posta“ verändert sich während den Folgen eloquent, auch im Look + Outfit. „Simplaimaing briglianta“ meint die richtige „Posta Ladina“/Engadiner Post– …stimmt.

 

Die Geschichte ist auch nicht ohne. Keine One-Trick-Ponys, alles ist im Fluss. Wie die Zungen. Die mischeln in allen Idiomen wie auch die angedeuteten GR-Mischlokraten aus Baumeisterverband, ranziger Politik und Bisines ihr Fett weg kriegen…und siehe da auch die “Dormabains“, die kleingeistig, nichtinformierten Leser der „Bündner Zeitung“.

Die Story zwar fiktiv die Themen sehr real. Der Plot macht eine erstaunliche Gratwanderung zwischen Media-Realität und Fiktion. (..doch immerhin filmt die RTR bei der SO–. Ein Zeichen gemeinsamer Werte? )

 

Der FDP-Liberalismus im Churer-Modus kommt auch zum Zuge. Dezent: Die Unterleibskühle der Schachmatt-Verlegerfamilie. (Fast zu stereotyp…Dass die nicht direkt benannt werden, ist fast zu dezent. ) Die SO (Dort ,wo man von der Businessclass träumt und am Bodenpersonal spaaaart) verliert schliesslich nicht fiktiv ihr Schlechtinformationsmonopol.

Das neu-provinzielle-industriekubistische Dekor im Medienhaus in der Sommeraustrasse in Chur stimmt, und trägt auch einiges zur guten Flow-Stimmung bei.

 

Als weiterer Gegenpart treten die Innenräume der fiktiven Posta“(der ranzigen romanischen Gazette) mit Geweih (ich sag extra nicht A-Geweih), von der Fäulnis eingeholt, mit dem leicht brackigen Geruch der alten Kasernenstrasse-Location und der alten Print-Redaktion.

Und vieles ist erstaunlich so wie im richtigen Lebrument-Narrativ. Und doch nicht, man schwenkt plötzlich die Geschichte.

…Der (fiktive) Dominator im Hintergrund ist Sursilvan und Sprachverfechter, und nicht Appenzeller.– Und bald tot; schon am Anfang. Nicht aber die Sprachkämpfe.

Und dass diese Generation viele Hufeisen für tote Pferde geschmiedet hat, wird so langsam ersichtlich..

Brecht meinte mit der Brecht-Schläue, die von ihm gerne Angesprochenen Nachgeborenen sollten eines Tages etwas zum Auswendiglernen haben…Hier gibts nicht mehr allzu neue Romanisch-Stereotypien auswendig zu lernen. Hier kann man neu mitleben.

Die Seelen-Kurven im Plot sind Aufsteller. Ebenso die Konvivialität von Menschen und Sprachen.

Und das Romanische hat plötzlich keine Aufmerksamkeitsstörungen mehr. Das Finale feelgood, „The End“ ist eine filmische Verheissung für die vierte Landessprache.

Die Realwerdung endzeitlicher Sprachszenarien ist mindesten verschoben…Ich habe den Eindruck so etwas wie ein Knistern in meinem Kopf wahrzunehmen…die bleiben am Leben.

 

 

 

 

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