Calanda Hymne

Mal gelernt. Eine gute Regierung ist wie eine geregelte Verdauung; solange sie gut funktioniert, merkt man kaum etwas von ihr.
Das ist auch bei uns in der Graubünden-Politik so. Und auch mit  unseren Bergen irgendwie so. Der Calanda, der Stoiker vor meinem Fenster, der hat’s nicht nötig sich irgendwie zu erklären.

Wenn ich ein Berg wäre, wär’ ich der Calanda. Der ist so durchschnittlich. Und sieht manchmal so schön aus, dass es nicht auszuhalten ist. Der hat so eine Wer-die-Welt-liebt-lässt-sie-in-Ruhe-Haltung. – Jo, isch doch guat, wissen wir – eigentlich will doch jeder etwas Fassbares, Klares, etwas Einordbares, etwas was sich nicht verändert.

Danach sehnt man sich nach all diesen Corona-Jahren. Das haben wir nun mindestens schon 22 Monate hinter uns. Und es geht wahrscheinlich noch länger. Nach all diesen Unwägbarkeiten, diesen unvorhersehbaren In-die-Welt-treten neuer Viren, neuer Infos. Dieses Ungewisse, das nennt man heute Emergenz. Und ja, einige (wenige) von uns sind emergenzwiderständischer geworden.

Und man weiss, je komplexer das Ganze, desto mehr Angstarroganz bleibt…wie bei den Diktaturschreiern.

Das ist wie bei der Kunst. Je preisgepushter, desto durchergefallen: je lauter, desto Nichtssagender.

OK, unser angeborenes Fluchtverhalten ist ja eher für die steinzeitliche Kleingruppe gemacht.

So im Stile Aha-ein-Calanda-Wolf-LAUTSCHREIEN. Gppvrdmmi.

Geht aber nicht. Da ist mal ein Mangel an Selbstberuhigungsstoffen. Und unsere toxische Positivität hilft auch nicht immer. Am meisten hilft Kontingenz, aber sag das mal diesen Daseins-Schwurblern: „Kontingenz bezeichnet prinzipielle Offenheit zu Komplexität“. Die kennen das Wort wahrscheinlich gar nicht.

Der Calanda schon, der macht das einfach immer richtig. Das Richtig-Sein kommt von seinem Überblick. Der sieht den Nebel schon in Sargans kommen und weiss: „Aha, sogar der Mittenberg ist am Mittag zu.“ (Also nicht besoffen.) So wie der Polizei-Forensiker in schlechten Krimis zu sagen pflegt: „….so zwischen ein Uhr und vier Uhr…“

Natürlich weiss der auch, dass so ein Steinbock auf seinem Grat mehr vom Leben versteht, als die meisten Menschen.

Der bekommt dann auch keine Hirnerschütterung weil seine Selbstgefälligkeit etwas leidet, weil er impfen sollte…

Er weiss, viele kraxeln zu ihm herauf, um den Himmel zu überwinden.
Und dass sie im Grunde genommen so eine Entgötterung möchten, aber nicht können. Er weiss auch, es gibt so nebst einigen HUHU-Berge wie dem Uetliberg auch gestandene Berge wie Tödi und Bernina. Keine so arrogante Dünkelberge…die dann plötzlich von Weitem so Stadt-Land-Gräben sehen wollen. Er sieht alle Möglichkeitsräume. Auch diese deprimierende Vielwichtigkeit und Vielschichtigkeit der Nebelwerfer.

 

Guat, wenigstes sieht unsereiner ja täglich in der Tagesschau jemand, dem es schlechter geht. Das funktioniert wahrscheinlich auch unter Bergen so.

Der Calanda sieht den Polentahügel, den Berg-Simulanten: Denkt sich, der passt guat zu Chur,

Hier haben wir viele solche Management-Simulanten, so Vührungs-Fornehm-Tuer. Eigentlich wie der Stapi…die spielen diese Rolle sehr gut…und füllen dann so ein Autoritätsvakuum.

 

Wir möchten halt alle so wie Winnetou dichtgeschmiegt an den Hals des Pferdes, dem Omikron-Feind im Kampf tapfer allen Bergen entgegengaloppieren. Uns in die richtige Kohorte einsortieren.

So wie ein schizophrener Schamane in einem Sioux-Dorf, der

 

gerade wegen seiner Unfähigkeit die Welt rational erklären zu wollen, als Prophet hochgeschätzt wird.

 

So wie diese Trumps, Orbans und Chiesas…mit „ derwischmässigem Wiederholen monotoner Schlagworte bis alles Schaum vor dem Mund hat.“

Guat, alles ist nicht so eine primitiv-exzentrische-populärdemokratische Nicht-Denkwelle wie bei unseren vermeintlichen Polit-Oppositiöönlern.

Diese Obergurus in Sachen spezifischer Hirnficks wissen das schon. Sie warten wie Wladimir und Estragon auf einige Deppen, die dann mitmachen, freedom day, eine Steuersenkung, einen neuen Blocher oder einfach auf die Leerstellen auf den Konti anderer. Das alles mit diesen Obertönen in der Stimme, mit zu vielen falschen Höhen, dünn und so tölpliganbiedernd…

Guat, Wladimir (also nicht der umnachtete Wladimirowitsch) und Estragon haben eben Beckett gelesen und diese Was-soll-das-Ganze-Fragen schon längst abgehandelt. Das volle Programm. Die wissen, das das Leben in der Politik so etwas ist wie eine leicht angedischte Banane, schon 2 Wochen im Mammut-Rucksack, matschig, reglos weich eine träge Masse, so ein ausgegorener Brei, der dann in den Medien als knallharter Fakten-Pudding zelebriert werden muss.

Die hätten auch im Godot eine Antwort auf Corona:

„Wir lassen es verschwinden. … In einem Augenblick werden alle verschwinden und wir werden wieder allein sein…

 

die Tränen der Welt sind eine konstante Menge.“ (OK, alles noch besser als die Gewerbeverband-Statements): Ja, das denkt wohl auch der Calanda und denkt sich dazu vielleicht auch: „Man beachte die tiefe Ironie.“

Und die Abenddämmerung zwinkert vom Tödi her sanft rüber. Meint vielleicht zu mir: „Und wieso hast du jetzt nicht die Welt gerettet, sondern nur einfach so einen sinnlosen Berg-Blog hingeschrieben?
Auch da hat Beckett die Antwort. Die Zeit. „Sie wäre sowieso vergangen“, heisst es in „Warten auf Godot.“

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